Die Entertainment-Falle – entertainen wir uns zu Tode?

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von Vicki Griffin (MPA, MACN):

Wie viel ist zu viel? Ein US-Amerikaner verbringt die Hälfte seiner Freizeit vor dem Fernseher

(Die durchschnittliche Sehdauer in Deutschland lag im Jahr 2014, laut Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung [AGF], wie schon im Vorjahr bei 221 Minuten pro Tag. Quelle: www.de.statista.com). 99% der US-Amerikaner besitzen mindestens einen Fernseher - ein größerer Anteil als der Prozentsatz, der einen Kühlschrank oder Toiletten im Haus haben! Was sind die Auswirkungen von exzessivem Fernsehen oder dem Gebrauch von Videospielen? Ist es ein harmloser Zeitvertreib oder ein schädliches Problem? Die Statistiken bringen die Wahrheit ans Licht.

Fernsehen

Während einer Lebensspanne von 65 Jahren, verbringt eine Durchschnittsperson ca. neun Jahre mit Fernsehen - genug Zeit, um zwei Universitätsabschlüsse zu absolvieren. US-Amerikanische Kinder verwenden durchschnittlich mehr Zeit mit Fernsehen, als mit jeder anderen Aktivität, ausgenommen dem Schlafen. Die Psychologin Jane Healy berichtet: „Im Alter von drei bis fünf Jahren - das Alter, das den Höhepunkt der kritischen Periode in der kognitiven Entwicklung des Gehirns darstellt - wird die Zeit, die von einem durchschnittlichen Kind mit Fernsehen verbracht wird auf 28 Stunden pro Woche geschätzt ... ungefähr sechs Mal so viel Zeit, wie für das Erledigen von Hausaufgaben verwendet wird.“ Wenn man Fernsehen und das Spielen von Videospielen zusammenrechnet, kommt man auf 35 bis 55 Stunden, die viele Teenager jede Woche vor dem Fernseher oder der Play Station verbringen.

Ein angesehener Nachrichtenmoderator fragte einmal: „Wann in der Geschichte der Menschheit, haben je so viele Menschen kollektiv einen so großen Teil ihrer Freizeit, einem einzigen Spielzeug gewidmet, einem Massenunterhaltungsmittel?“

Offensichtlich ist Fernsehen eine der wichtigsten Freizeitaktivitäten geworden. Doch mehr als andere Freizeitaktivitäten führt sie dazu, dass man passiv und angespannt ist, die Konzentrationsfähigkeit nachlässt und man schlechtere Laune hat als zuvor. Fernsehen kann auch eine hypnotische, und möglicherweise auch eine abhängig machende Wirkung auf das Gehirn haben.

Fernsehen ist nicht nur schlecht. Es gibt gute Programme über Wissenschaft, Geschichte, Natur, Religion und Kunst. Solche Programme bieten Unterhaltung und können Interessen am Studium neuer Bereiche wecken. Doch während höhere Bildung, aktive mentale Anstrengung erfordert, ist Fernsehen ein größtenteils passives Erlebnis.

Der Neuropsychologe Jeff Victoroff meint: „Aktive Reaktionen auf kognitive Herausforderungen sind ohne Zweifel das, was die Neuronen eines Erwachsenen aktiviert, während passives Erleben wenig zur Entwicklung für das Gehirn beiträgt. Damit das Gehirn weiterhin lernen und wachsen kann, müssen wir aktiv auf kognitive Herausforderungen reagieren.“

Das Gehirn eines Kindes ist besonders anfällig für die Fähigkeit des Fernsehens, die Funktionsweise des Gehirns zu verändern. Im Bezug auf das Lernen kann Fernsehen nicht mit Büchern, menschlichen Interaktionen und Erfahrungen des realen Lebens verglichen werden.

Gewalt in den Medien

Der Wissenschaftler Antonio Domasio fand heraus, dass die Emotionen „betäubt“ werden, wenn man regelmäßig gewalttätigen Bildern in den Medien ausgesetzt ist. Er schreibt: „In den Nachrichten, wird ein Bericht nach dem anderen gebracht. Egal wie schrecklich die Bilder sein mögen - sie werden jeweils nur so kurz gezeigt, dass wir keine Zeit haben, die Grausamkeit eines einzelnen Ereignisses emotional zu verarbeiten.“ Die Gefahr von solch schnellem Input ist, „dass es immer mehr Menschen geben wird, die sich bei der Entscheidung, was gut und was böse ist, völlig auf ihr kognitives System verlassen müssen, ohne ihr emotionales Gedächtnis zu gebrauchen. Man kann ihnen sagen, was gut und was böse ist, aber es kann sein, dass das nicht im Gedächtnis verankert bleibt.“

Die hypnotisierende Wirkung des Fernsehens wird gut von Robert MacNeil beschrieben: „Das Problem am Fernsehen ist, dass es die Konzentration beeinträchtigt. Nahezu alles Interessante und Bereichernde im Leben erfordert auf die eine oder andere Weise konstruktiven, andauernden Aufwand. Fernsehen ermutigt hingegen, keine Anstrengungen zu unternehmen.“

Videospiele

Videospiele stellen einen weiteren Bereich an Herausforderungen dar. Von den 60% an US-Amerikanern, die Videospiele spielen, sind 61% Erwachsene, fast die Hälfte sind Frauen und das durchschnittliche Alter liegt bei 28 Jahren.

Diese Spiele kann man mit gemischten Gefühlen sehen. Sie können unterhaltsam sein und für eine gelegentliche Abwechslung sorgen. Im Gegensatz zum Fernsehen wird bei Computerspielen die Beteiligung und die Entwicklung von strategischen Fähigkeiten von den Spielern gefordert. Doch ein alarmierender Anteil von ihnen dreht sich um Gewalt und Pornographie. Der Psychiater Richard Winter weist darauf hin, dass „die Technologie als riesiger Verstärker auf beiden Seiten der Welt zu fungieren scheint - an einem Ende alles, was wunderbar und gut ist und an dem Anderen alles, was schrecklich und böse ist.“

Videospiele benutzen oft eine Mischung aus dem Reiz des Neuen, Belohnung, Gewalt und Sex, um die Aufmerksamkeit der Spieler zu fesseln und sie dazu zu verleiten, Stunden damit zu verbringen, künstliche Ziele zu erreichen.

David Grossmann (Militärpsychologe) hat Jahre damit verbracht, die Methoden des Trainings zu erforschen, das Armeerekruten dazu bringt, ihre natürliche Abneigung gegenüber dem Töten zu überwinden. „Mehr als alle anderen Aspekte dieser Videospiele“, schreibt Grossmann, „sind es die Genauigkeit der Simulation - das Gemetzel, das Blut, die Eingeweide – die so weit fortgeschritten sind ... Die Simulation scheint weniger Fake zu sein, und ist deshalb effektiver.“

Aber es ist nur ein Spiel“, argumentieren manche. Dr. Grossmann bezeichnet solche Spiele als „Tötungs-Simulatoren“, die einem beibringen, bedingt zu töten, so wie Simulatoren den Astronauten beibringen zum Mond zu fliegen, ohne dass sie jemals die Erde verlassen haben.

Zusammenfassung

Die Einflüsse des Fernsehens beschränken sich nicht nur auf das Mentale. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen den Stunden, die vor dem Fernseher verbracht werden und zugenommenem Gewicht besteht. Personen, die viel fernsehen, neigen auch zu einem erhöhten Risiko für Faktoren, die Herzerkrankungen auslösen, wie z.B. Bluthochdruck. Warum? Diejenigen, die viel Zeit vor dem Fernseher verbringen, tendieren dazu nicht genügend körperliche Bewegung zu bekommen und sind eher anfällig dafür, auf die Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke zu reagieren. Dazu kommt: je weniger man sich körperlich betätigt, desto schwieriger ist es, den Appetit zu kontrollieren.

Einer der besten Wege, die Abhängigkeit des Fernsehens zu brechen, ist zu erkennen, dass lediglich ein Zuschauer im Leben zu sein, schmerzvoller ist, als sich an bedeutungsvollen Aktivitäten zu beteiligen. Die Gefangenschaft des Gehirns durchs Fernsehen kann gebrochen werden; der Genuss des realen Lebens kann die leere Stimulation des Lebens in einer Fantasie-Welt übertreffen.

Wir wurden dazu geschaffen, das Leben zu genießen, Freude zu erleben, uns körperlich zu betätigen, neue Möglichkeiten zu erlernen um Herausforderungen begegnen zu können, unsere mentalen Fähigkeiten zu entwickeln und bedeutungsvolle Beziehungen zu formen. Wir können lernen, das Leben zu meistern, Freude an der gewöhnlichen Routine des Alltags zu haben, neue Erfolge zu erzielen und bedeutsame soziale Bindungen zu knüpfen. Das kann man nicht via Satellit erreichen, sondern indem man sich aktivem Lernen und wahren Beziehungen hingibt.

Quelle: Life and Health Network